Naturschutzgebiet

Amelie Rick
4. Oktober 2023

Wie jedes Mal, wenn ich spazieren gehe, genieße ich die grünen Flecken und einsamen Ecken, die der Rand Berlins für mich bereithält. Wie immer lächel ich dankbar darüber, wie gut mein Gott mich kennt. Denn ohne diese wunderbare Natur hier oben im Norden würde ich mich bei Weitem nicht so wohl in dieser Stadt fühlen. Ich genieße die kleinen Seen, die vielen Bäume, die Wiesen und Felder und dass mich all das jedes Mal in einem anderen Kleid begrüßt: Frühling, Sommer, Herbst und Winter, Regen, Sonne, Nebelfelder… Alles will sich mir zeigen und in seiner schönsten Pracht präsentieren. Manchmal kommt mir die Natur hier so vor, als hätte sie nur darauf gewartet, dass ich wiederkomme, um sich mir stolz in einer neuen Facette zeigen zu können. Wie ein kleines Kind, das weiß, dass nun jemand kommt, der es gebührend bewundern wird, wenn es einem das neuste Bastelwerk unter die Nase hält.

Doch so oft sich mir hier neue Kleinig- und Großigkeiten der Natur zeigen, so regelmäßig, stetig und fast schon penetrant zieht ein Schild, das alle paar hundert Meter wieder auftaucht, meinen Blick auf sich: „Naturschutzgebiet – Helfen Sie mit, die seltenen und gefährdeten Lebensräume, Pflanzen und Tiere sowie die besondere Schönheit des Gebietes zu erhalten.“ Ich merke, dass mich diese Schilder irgendwie anziehen und wie eine leise Stimme mir immer wieder zuflüstert: „Auch Du bist ein Naturschutzgebiet. Pass auf Dich und Deinen Herzensgarten auf, damit er, genau wie die Natur hier, auf seine einzigartige Weise gedeihen und zum Segen für andere werden kann.“ Wie ferngesteuert mache ich jedes Mal mindestens ein Foto von einem dieser Schilder und merke, wie seine Bedeutung für mich mit jedem spazierendenden Besuch tiefer in mein Herz rutscht. Bis ich eines Tages über folgende Bibelstelle stolpere: „Er schafft Deinen Grenzen Frieden.“ (Psalm 147; 14). Grinsend lese ich diesen Satz noch einmal und erinnere mich an die vielen Schilder, die mittlerweile nicht nur digital sondern auch in meinem Herzen abgespeichert sind. Und wie durch Zauberhand entfaltet das, was sie mir die ganze Zeit sagen wollten, seine heilende, wohltuende Wirkung in meinem ganzen Körper. Eine Welle des Friedens und der Freude erfassen mein Denken und mein Sein. Man nennt sowas wohl einen Erkenntnismoment. Kostbar, wenn man so etwas erleben darf!

Wie ein säuselnder Wind streift die mir wohl bekannte Stimme durch mein Bewusstsein und spricht mir wieder zu, doch dieses Mal intensiver als je zuvor: „Du bist mein Naturschutzgebiet. Ich habe Dich mit Deinen Grenzen erschaffen. Nicht, damit Du sie von anderen Menschen, Erwartungen oder Umständen niederreißen lässt, sondern damit sich darin all das geschützt entwickeln kann, was ich in Dich hineingelegt habe. Hör auf, angepasst und den Erwartungen anderer entsprechend zu leben. So lässt Du zu, dass andere Menschen oder Gedanken Deinen Herzensgarten bewirtschaften und Deine Wiesen niedertrampeln, zu früh von Deinen Früchten essen oder wie Unkraut alles andere überwuchern. Ich kenne Dein Herz und was Du Dir wünschst. Ich kenne Dein Timing. Ich kenne Dich! Und ich allein möchte Dein Gärtner sein. Denn ich habe Dich angelegt und weiß, was Du brauchst. Erlaubst Du mir, dass ich Deine Grenzen wieder aufrichte? Dann vertraue Dich mir neu an und schließe Frieden mit ihnen. Sie sind lebensnotwendig für Dich, wenn Du ein lebendiger Ort sein möchtest, der gesunde Frucht hervorbringt.“

Wie von selbst spüre ich, wie ich zu nicken beginne. „Ja, ja, ich will! Ich sehne mich so sehr danach, gesund wachsen zu können. Ich will die Fülle, die meine Grenzen hervorbringen. Ich will die Freude, die darinnen verborgen ist. Ich will das Leben. Ich will! Ich will!“ Und mit jedem „Ich will!“ spüre ich, wie sich ein schützender Rahmen neu um mein Herz aufbaut. Haaaaach, tut das gut. Mehr davon!

Lächelnd und mit tiefer Freude im Herzen klappe ich meine Bibel zu. Es ist doch schon erstaunlich, wie ein Satz darin so zu mir sprechen kann, dass plötzlich etwas Sinn ergibt, das mich schon seit Wochen gefühlt „verfolgt“. Und in all den Schildern, die mich jedes Mal erfolgreich zu einer Pause meines Spaziergangs zwangen und in den Worten, die ich gerade gelesen habe, wird der Vers aus Psalm 23 für mich erlebbar: „Güte und Gnade werden mir folgen mein Leben lang.“ Heute habe ich mich von ihnen einholen lassen. Was für eine wunderbar endende Verfolgungsjagd!

Hintergrundbild: Canva