Ich darf sein…!

Amelie Rick
1. April 2022

In den letzten Wochen und Monaten mache ich mir viele Gedanken um diesen Satz. Ich darf sein. Das hört sich irgendwie gut an, oder? Sein… So, wie ich bin. Das klingt nach Freiheit. Nach Leichtigkeit, nach gesunder Unabhängigkeit. Nach Identität im Innen und nicht im Außen. Irgendwie attraktiv.

Doch wenn ich ehrlich bin, ist es für mich manchmal schwer auszuhalten, nur zu sein. Entweder fällt es mir schwer, einfach mal ein paar Minuten tief durchzuatmen und mich dem Glück des Momentes im Hier und Jetzt hinzugeben, weil es so viel zu tun gibt. Oder ich möchte gar nicht sein. Weil ich ahne, was alles an Gefühlen in mir hochkommen würde, wenn ich tatsächlich einmal hinhören würde, was in mir los ist.

Sein erfordert Mut. Den Mut, sich mir selbst zu stellen. Mir selbst und meinen Fragen, meinen inneren Treibern und meinen Unsicherheiten. Das ist manchmal gar nicht so leicht zu ertragen. Deswegen lasse ich mich allzu oft und gerne von Dingen ablenken, die es mir leicht machen, mich nicht mit dem auseinandersetzen zu müssen, was mich eigentlich tief im Inneren beschäftigt. Doch ewig lässt sich dieses Spiel nicht spielen, ohne dass die Seele davon Schaden trägt. Sie braucht es, getröstet zu werden, wenn es ihr nicht gut geht. Sie braucht es, trauern zu dürfen, wenn etwas zu Bruch gegangen ist. Sie braucht Trost, Annahme, Liebe, Geborgenheit und Sicherheit. Genau so, wie sie es genießt, glücklich, zufrieden und ausgeglichen zu sein. Mit dem positiven Sein scheint sie besser zurecht zu kommen. Woran das wohl liegen mag? 😉

Was hier so scherzhaft dahin geschrieben ist, trägt einen allzu tiefen und wahren Kern in sich. Denn das Sein, das mit negativen und schwer auszuhaltenden Gefühlen verbunden ist, ist mit sich selbst allein nicht gut beraten. Es kann schnell in einer Selbstmitleidsparty enden, deren dunklen Sog man nicht unterschätzen sollte. Und weil der Mensch genau das tief in sich ahnt, schaut er dort auch nicht gerne hin. Doch was wäre, wenn es jemanden gäbe, der sich, nicht von unserer Seite weichend, gemeinsam mit uns unseren inneren Schatten des Seins stellen würde? Wenn er da wäre, um uns zu trösten, unsere Tränen aufzufangen, sie wertschzuschätzen und uns durch das Tal hindurchzugeleiten, um uns auf dem Weg beizustehen und durch ihn zu innerer Heilung zu führen? Was wäre, wenn es da jemanden gäbe, der, im Gegensatz zu uns selbst, nicht mit uns überfordert wäre?

Das klingt zu schön, um wahr zu sein? Ja, das stimmt. Und doch ist es wahr! Ich kann das mit Fug und Recht behaupten, denn ich lerne gerade immer mehr, wirklich und wahrhaftig ehrlich zu sein. Ehrlich zu sein mit mir und ehrlich zu sein vor Ihm. Vor meinem Gott. Dadurch, dass ich immer mehr erlebe, dass Er es liebt, wenn ich genau so ehrlich bin, traue ich mich, mich Ihm in meinem ganzen Sein hinzugeben. Denn ich erlebe Seinen Trost und Seine Liebe in genau diesen „schwachen“ Momenten so stark, dass ich es nicht mehr missen möchte. Das ist das Wunderbare an meinem Gott: Das, was Er sich am meisten wünscht, ist mein ganzes Herz. Alles davon. Die hellen und die dunklen Ecken. Um mich in alledem erkennen und lieben zu können. Wie könnte ich da anders, als mich Ihm, mit allem, was ich bin und nicht bin, anzuvertrauen? Denn darin vereint sich unser beider Glück…

Ich wünsche Dir, dass Du das Gleiche auch erleben kannst. Ich will es nicht verleugnen: Dieser Weg ist eine wahrscheinlich nicht enden wollende Reise und sie wird wohl erst beendet sein, wenn wir unserem Gott in der Ewigkeit begegnen. Doch sie lohnt sich. Das kann ich Dir versprechen. Vielleicht begegnen wir uns ja unterwegs… Ich würde mich freuen!

Foto: Canva