Tränen stehen in unserer heutigen Gesellschaft häufig für Schwäche: Wer weint, hat sich nicht im Griff. Wer weint, hält dem Druck nicht stand. Wer weint, ist unsicher. Das sind nur einige Vorurteile, die wir mit dem Weinen in Verbindung bringen. Doch ist es nicht auch gut, wenn man zu seinen Gefühlen stehen kann? Kann es nicht auch heilsam sein, wenn sich Emotionen durch Tränen ausdrücken können? Es ist erwiesen, dass Tränen Stoffe beinhalten, die dem Morphium sehr ähnlich sind. In dem Moment, in dem wir weinen, tritt somit eine gewisse Schmerzlinderung ein. Auch lösen Tränen Gefühls-und Körperspannungen und man fühlt sich nach dem Weinen häufig innerlich befreit. Ein Hoch also auf die Tränen!
Verstecken oder schämen sollte sich niemand ihretwegen. Natürlich gibt es geschütztere Rahmen, in denen man seinen Tränen eher freien Lauf lassen kann. Nicht jeder von uns offenbart sich beispielsweise gerne in der Öffentlichkeit, vor Fremden oder in einem zwischenmenschlich angespannten Umfeld. Dennoch ist es wichtig, die eigenen Gefühle nicht zu unterdrücken. Setzt man sie auf die Ersatzbank, sind sie trotzdem noch da. In einer ruhigeren Minute lohnt es sich also, ihnen auch mal einen Einsatz auf dem Lebensspielfeld zu ermöglichen. Sie würden Tore erzielen, die auf diese besondere und befreiende Art niemand sonst schießt und sicher zum Gewinnen im Leben beitragen. Psychohygiene ist wichtiger denn je in unserer oft nach außen so perfekt erscheinenden Welt, in der jeder so makellos wie möglich sein will. Der ehrliche Blick nach innen ist deshalb umso notwendiger. Dabei dürfen wir natürlich auch dem Lachen Raum geben, doch heute möchte ich mich mal mit den Tränen beschäftigen…
Für mich als gläubiger Mensch kommt zu dem Weinen an sich noch eine himmlische Komponente hinzu. Erstens spricht die Bibel klar über das Weinen, weil es zum Leben dazugehört und weil alles seine Zeit hat, auch das Vergießen von Tränen. Zweitens, und das ermutigt mich sehr, sagt Gott, dass, wenn wir unsere Tränen säen, ihnen also Raum geben, wir mit Jubel ernten werden. Ich darf also wissen, dass das Weinen mir nicht nur selbst gut tut, sondern auch ein Ausdruck der Trauer, der Wut, des Schmerzes ist, den ich Gott dadurch offenbare. Ich mache mich Ihm gegenüber ehrlich, verletzlich und zeige, dass ich Hilfe, Liebe, Beistand brauche. Mit dem Versprechen, dass Er meine Tränen in Freude verwandeln kann und wird, weil Ihm nichts unmöglich ist, schenkt Er mir noch im Moment des Weinens friedlichen Trost. Und plötzlich weiß ich, dass meine Tränen sind bei Ihm gut aufgehoben: Denn Er zählt sie für mich. Sie sind ihm nicht egal, ich bin Ihm nicht egal. Er wird sich um mein Anliegen kümmern… Was für eine wunderbare Gewissheit!
Foto: Leonard Schneider